Mein Pferd steigt – tolles Kunststück oder ein Problem?
Es gibt kaum ein eindrucksvolleres Bild als ein Pferd, das steigt. Im Steigen des Pferdes wird seine Größe, Anmut und sein Stolz erst richtig deutlich. Unbezähmbar, stark und frei, das sind die Assoziationen, die ein steigendes Pferd weckt. Und so verwundert es nicht, dass das ein beliebtes Motiv für jeden Fotografen ist. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Wer schon mit einem unfreiwillig steigenden Pferd konfrontiert wurde, wird bestätigen, dass dies zwar ebenfalls eine beeindruckende Erfahrung ist, aber eher im negativen Sinn. Und leider ist das Steigen keine seltene Unart bei unserem Kamerad Pferd. Aber warum steigt ein Pferd überhaupt und kann man etwas dagegen tun?
Ursprung
Beobachtet man Pferde in der freien Wildbahn, wird man feststellen, dass das Steigen in bestimmten Situationen gezielt eingesetzt wird und für das Wildpferd durchaus nützlichen Charakter hat.Wer steigt? | Warum? |
Hengst | Imponiergehabe seinen Stuten gegenüber, Kampfverhalten gegenüber fremden Hengsten (Rivalen) |
Jungpferde | Spielerisches Kräftemessen, Übermut |
Prinzipiell jedes Mitglied der Herde | Flucht (bei Gefahr entfernen aus der Gefahrenzone) |
Steigen beim domestizierten Reitpferd
Bei allen Gefahren, die das Steigen des Pferdes für den Reiter birgt, wird es trotzdem gerne als Kunststück gezielt trainiert. Das hat gute Gründe:- Optik: Das Steigen des Pferdes an sich wirkt schon sehr majestätisch, stolz und ungezähmt. Noch beeindruckender, wenn diese große Geste des Pferdes durch einen Fingerzeig vom Menschen kontrolliert werden kann. Nicht umsonst findet man dieses Kunststück in jeder Zirkus-Vorführung. Aber auch beim normalen Freizeitreiter erfreut es sich wachsender Beliebtheit.
- Verbesserung der Beziehung zwischen Mensch und Pferd: Wenn ein Mensch, der dem Pferd kräftemäßig völlig unterlegen ist, das so viel größere und stärkere Tier nur mit Fingerzeig dirigieren und kontrollieren kann, dann ist das nicht nur beeindruckend, sondern zeigt auch, dass das Flucht- und Herdentier Pferd dem Menschen hundertprozentig vertraut und die Kontrolle überlässt. Und das ist Voraussetzung für einen gefahrlosen Umgang und gefahrloses Reiten. Ein Pferd in der dominantesten Pose, die es kennt - nämlich dem Steigen – frei kontrollieren zu können bedeutet, es in nahezu jeder vorstellbaren Situation kontrollieren zu können. Dann gibt das Pferd nicht mehr seinen Urinstinkten – zum Beispiel dem Fluchtinstinkt – nach, sondern lässt sich vom Menschen führen.
- Muskeltraining für das Pferd: Das Steigen trainiert vor allem die Muskeln der Hinterhand (der hintere Teil des Pferdes ab der Hüfte) und die Rückenmuskeln. Beide Muskelgruppen sind wichtig für die Lastaufnahme beziehungsweise Tragkraft. Nur mit starken Rücken- und Hinterhandmuskeln kann ein Pferd den Reiter schadlos tragen. Die Hinterhand ist zudem der „Motor“, also die Antriebskraft der Bewegung des Pferdes. Für das Wildpferd bedeutet das, je stärker die Hinterhand, desto wendiger und schneller ist es, was über Leben und Tod entscheiden kann.
Steigen als Unart
Zum Problem wird das Steigen, wenn das Pferd es gezielt gegen den Menschen einsetzt. Das ist ein Alarmzeichen und höchste Zeit, etwas im Umgang oder beim Reiten zu verändern! Denn Steigen kann richtig gefährlich für den Menschen werden. In diesen Situationen kann ein Pferd steigen:- Beim Holen: Das Pferd möchte sich gar nicht erst von der Koppel oder aus der Box holen lassen und versucht, sich durch Steigen zu entziehen. Dabei besteht die Gefahr, vom Pferd überrannt zu werden.
- Beim Führen: Das Pferd möchte zum Beispiel an einer bestimmten Stelle nicht vorbeilaufen und steigt neben dem Führenden. Mit den Vorderhufen kann es den Menschen dabei treffen.
- Beim Putzen: Am Anbindeplatz steigen Pferde, um sich zu entziehen, zum Beispiel, wenn die Hufe bearbeitet werden. Auch dabei kann man von den Hufen getroffen werden.
- Bei der Bodenarbeit: Möchte man das Pferd vom Boden aus dirigieren oder longieren (im Kreis um sich herumlaufen lassen), kann es passieren, dass das Pferd sich nicht wegschicken lässt, sondern sich stattdessen frontal zum Menschen dreht und steigt. Das ist ein offener Angriff, der sofort unterbunden werden muss!
- Beim Reiten: Hier gibt es verschiedene Situationen, in denen ein Pferd steigen kann. Einmal, wenn der Reiter etwas von dem Pferd verlangt, wozu dieses nicht bereit ist. Das kann sein irgendwo entlangzulaufen oder bestimmte Übungen. Oft kündigt das Pferd dann das Steigen mit Kopfschütteln oder rückwärts gehen an. Die zweite Möglichkeit, das Pferd erschrickt vor etwas, bekommt Panik und versucht sich durch Steigen, meist verbunden mit einer Drehung, aus der „Gefahrenzone“ zu entfernen. Diese Art kündigt sich in der Regel nicht an, da die Situation plötzlich und unerwartet auftritt. Durch die aufwärts-seitwärts Bewegung wird der Reiter leicht aus dem Sattel katapultiert.
Was kann ich gegen das unerwünschte Steigen meines Pferdes tun?
So unterschiedlich die Situationen sind, in denen das Pferd steigt, so vielfältig können die Lösungsansätze sein. Schaut man sich das Verhalten der Wildpferde untereinander an, kann man drei Gründe für das Steigen erkennen:- Imponiergehabe
- Drohgebärde
- Flucht/Angst
Fazit
Steigen ist per se nichts Schlechtes, sondern ein natürliches Verhalten, das einem Urinstinkt entspringt. In die richtigen Bahnen gelenkt, ist es sogar nützlich für den Körper des Pferdes und die Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Wenn ein Pferd jedoch unkontrolliert steigt, wird das für den Menschen gefährlich. Wenn der Besitzer das Problempferd nicht mehr in den Griff bekommt, wird es Zeit sich Hilfe bei einem Reitlehrer oder Trainer zu suchen.Wie gefällt dir dieser Beitrag?
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